Debakel Schill-Straße?
17.01.2020 In den letzten Ausgaben haben wir ausführlich über den Haushalt 2020 und unsere Vorhaben berichtet. Viele kleine und große Vorhaben von der Sanierung von Schulen bis zur Verdoppelung der Ausgaben für Reparaturen und Unterhalt von Fußwegen, Straßen und Radwegen werden umgesetzt. In einem Teilbereich aber droht schon jetzt, zwei Monate später, ein komplettes Scheitern.
Die Fortsetzung der in letzten Monaten endlich erlebbaren Entwicklung der Innenstadt Dessaus droht zum Stillstand zu kommen. Mit der Ferdinand-von-Schill-Straße steht das erste Projekt vor dem Aus, ein Dominoeffekt für die weiteren Vorhaben Johannisstraße, Zerbster Straße Nordteil und den Platz am Übergang zur Albrechtstraße droht.
Ein bitterer Moment, wenn aus einem spannenden und notwendigen Projekt ein Häufchen Asche wird. Viel Arbeit steckt in den Plänen zur Neugestaltung der Schillstraße. In der Verwaltung wurde ein umfangreiches Projekt erarbeitet, eine Bürgerbeteiligung umgesetzt und mit dem Stadtrat abgestimmt. In vielen Stunden haben wir in den letzten Tagen im Stadtrat gemeinsam versucht, dass Projekt zu retten. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe des Amtsblattes am 20. Januar muss ich feststellen: Wir sind wohl gescheitert.
Wie konnte es dazu kommen? Ich könnte es mir an dieser Stelle einfach machen und auf äußere Gründe zeigen. Da ist einiges aufzuführen:
- die komplizierte EU-Förderung und der durch eine auslaufende Förderperiode entstehende Zeitdruck
- die explodierenden Preise im Bau und die dadurch entstehenden unzumutbaren Beitragsforderungen an die Anlieger
- die deutliche Reduzierung oder Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in anderen Bundesländern und der daraus resultierende Akzeptanzverlust für Beiträge in jeder Höhe
- das laaaange Warten auf ein Umdenken der CDU-Landtagsfraktion, welche erst im Dezember 2019 den Weg zur Neugestaltung der Straßenbaufinanzierung frei machte
- die unangebrachte Gemütlichkeit, mit welcher die Landesregierung die Neuregelung erst für 2021 angeht (Anmerkung: Richtig, auch wir GRÜNEN sind in der Landesregierung. Doch wir drängen seit langem auf eine Neuregelung und haben mit der Erhöhung der Grunderwerbssteuer auch einen schnell umsetzbaren Finanzierungsvorschlag für den Wegfall der Straßenausbaubeiträge vorgelegt.)
Doch der Verweis auf äußere Gründe begründet nur das Scheitern fern der eigenen Verantwortung. Die aufgeführten Rahmenbedingungen werden sich nicht oder nicht schnell genug ändern, um wenigstens einen Teil unserer Vorhaben zu retten. Beim Projekt Schillstraße haben aber auch wir als Stadt Fehler gemacht, wie die fehlende Kommunikation mit den Betroffenen um die Versendung der rechtlich vorgeschriebenen Voraus-Bescheide, Lernen wir daraus.
Derzeit habe ich den Eindruck, dass sich ein Großteil des Stadtrates mit dem Scheitern abfinden will. Zugegeben, dafür gibt es auf den ersten Blick gute Gründe. Beiträge der Grundstückseigentümer müssen laut Gesetz erhoben werden, sie werden wohl erst für 2021 abgeschafft. Dann schaffen wir die Umsetzung mit den EU-Fördermitteln nicht mehr. Aber müssen wir nicht trotzdem alles versuchen, um einen Stillstand von mindestens fünf Jahren zu verhindern?
Wir als Fraktion rufen dazu auf. Wir suchen aber eine deutliche Ratsmehrheit für die notwendigen Schritte. Kämpfen wir zunächst um die Johannisstraße und die nördliche Zerbster Straße.
- Unsere Grundbedingung: Wir brauchen die Akzeptanz der betroffenen Anwohner und Eigentümer. Setzen wir uns mit ihnen und der Stadtverwaltung zusammen.
- Geben wir als Stadtrat ein deutliches Zeichen, dass wir alles versuchen werden, um die Beiträge so weit wie möglich zu senken und das Ziel eines völligen Verzichtes verfolgen.
- Setzen wir uns in Magdeburg für Übergangsregelungen im neuen Gesetz ein, welche uns in der Kommune diesen Verzicht auf Beiträge ermöglicht. Wir GRÜNE machen dies bereits intensiv. Dessau-Roßlau ist nicht die einzige betroffene Stadt, ein Erfolg ist möglich.
- Setzen wir zügig die diskutierten, nach der derzeitigen Rechtslage möglichen Reduzierungen durch, um das Restrisiko für die betroffenen Eigentümer zu mindern.
Vom MDR wurde ich letztens gefragt, ob die Anwohner der Ferdinand-von-Schill-Straße jetzt nicht glücklich über das drohende Projektende wären. Die Anwohner sind es sicher nicht, sie stolpern weiter durch eine Straße im Zustand von 1945. Aber auch etliche der Eigentümer wollen eine neue Qualität vor den Läden und Wohnungen und waren nach meiner Wahrnehmung zu einem zumutbaren Weg dahin bereit. Wir sind in der Pflicht, auch in der Schillstraße bald einen neuen Weg zur Sanierung aufzuzeigen.
Sollte allerdings der EU-Förderzeitraum verlängert werden, was nicht völlig ausgeschlossen scheint, könnte mit dem vorgeschlagenen gemeinsamen Weg sogar das Projekt Ferdinand-von-Schill-Straße wieder ins Leben geholt werden.
Guido Fackiner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN