Der Stadtrat vor der Neuwahl

18.02.2014 Über die vergangene Stadtratssitzung am 29. Januar wurde ausführlich in der MZ berichtet. Neben der Berichterstattung über die Ergebnisse und Beschlüsse wurde auch das Verhalten der Stadträte kommentiert. Von „Neuanfang nötig“ bis hin zum beliebten Abwatschen des gesamten Stadtrates reichten erneut die Kommentare und Lesermeinungen.

Es ist durchaus nicht abzustreiten, dass der Dessau-Roßlauer Stadtrat oft eine unglückliche Figur machte. Dennoch wäre mehr Differenzierung in der kritischen Betrachtung angebracht. Wenn Selbstgefälligkeit und Machtposen die Handlungsfähigkeit des Stadtrates blockieren, persönliche Animositäten sachliche Argumentation überlagern, gar Einflussnahme der Landesregierung die gewählten Vertreter der Bürgerschaft dazu bewegt, entgegen ihrer offensichtlichen Meinung und gegen die Interessen der Stadt zu agieren, sind deutliche Worte sicher nötig. Aber das Austragen von Meinungsverschiedenheiten und das Ringen um Mehrheiten sind etwas Urdemokratisches und nicht per se als negativ einzuschätzen. Wohl niemand will im Rathaus wieder einen einheitsparteigesteuerten Oberbürgermeister, dem die Blockflöten widerspruchslos folgen. So wie es in der Bürgerschaft je nach Interessenlage und Überzeugungen verschiedene Meinungen gibt, werden auch die von ihnen gewählten Vertreter unterschiedliche Wege der Problemlösungen gehen. Wie gut oder schlecht sie dies tun, ob sie eher Eigeninteressen verfolgen, kann natürlich bewertet werden, und jeder Bürger und jede Bürgerin kann – oder besser: ist aufgefordert, sich bei der nächsten Wahl selbst einzubringen und für das Gemeinwohl zu wirken.

Der Stadtrat zwischen Wahlkampf, Peinlichkeiten und demokratischer Willensbildung

Dass der Wahlkampf vor der Tür steht, ließ sich in der letzten Ratssitzung an der Vielzahl der Anfragen seitens der Stadträte ablesen. Eines wurde klar: Der Stadtrat ist mit der Arbeit der Verwaltungsspitze alles andere als zufrieden. Hier sei nur das anerkannte Problem Stadtmarketing genannt, dessen Erledigung seit über einem Jahr von der Verwaltungsspitze verhindert wird. Gutachten, die teures Geld gekostet haben und Entscheidungsgrundlagen liefern sollten, werden nicht herausgegeben, die Einsichtnahme wird versucht zu verweigern, Beschlussvorlagen werden verschleppt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Wirtschaftsdezernat darauf spekuliert, der neue Stadtrat würde die Initiative unserer Fraktion, den Willen des derzeitigen Wirtschaftsausschusses und der großen Mehrheit der Wirtschaftsverbände, eine Stadtmarketinggesellschaft auf den Weg zu bringen, nicht weiter verfolgen.

Wahlkampf pur kann man auch den Anträgen aus der CDU-Fraktion der vergangenen Wochen unterstellen: Hier eine neue Sporthalle, da eine Erweiterung und kostenintensive Änderung des Schwimmhallenneubaus, dort mehr Geld fürs Theater, das gerade von christdemokratisch geführter Regierung und Landtag beschnitten werden soll. Die Stadtratsmehrheit folgte dieser Art von Populismus nicht. Liebe Kollegen, wir arbeiten gerne mit Euch zusammen und haben uns in den vergangenen Jahren als verlässlicher Partner gezeigt. Aber eine solide Haushaltspolitik sieht anders aus und sollte auch im Vorwahlkampf Thema bleiben.

Peinlich werden Profilierungsversuche vollends, wenn der Fraktionschef der SPD gegen seinen eigenen Dezernenten polemisiert, vorgeblich eigenes Wissen der Stadt bewusst vorenthält (zu deren Schaden, wie er genüsslich ausformulierte) und dann von Herrn Raschpichler vorgeführt wird – dies hatte schon laienspielhaft-tragischen Charakter.

Aus meiner Sicht hat der Stadtrat in der letzten Sitzung, mit wenigen, oben skizzierten Ausnahmen, sachlich argumentiert und diskutiert, sich demokratisch und verantwortungsbewusst gezeigt und wichtige Vorlagen wie den modifizierten Aufstellungsbeschluss zur Planung des Bauhausmuseums, oder die Resolution gegen den am 8. März geplanten Naziaufmarsch auf den Weg gebracht.

Im Mai können die Dessau-Roßlauer wieder Gebrauch sowohl von ihrem aktiven, aber auch von ihrem passiven Wahlrecht machen. Wer den Stadtrat aufmerksam und kritisch verfolgt hat, wird im Mai vielleicht zu anderen Entscheidungen kommen: Für eine konstruktive Politik und Gestaltung der Stadt braucht es Mehrheiten über Parteigrenzen hinaus und kein Handeln am Gängelband von Magdeburg.

Dr. Ralf-Peter Weber

Wir für Dessau-Roßlau