Kultur: Zusammenhänge und die Notwendigkeit zum Blick aufs Ganze

14.09.2020 Wenn der Stadtrat in diesen Tagen vermeintlich abschließend über den sogenannten Kulturentwicklungsplan diskutiert, dann hat das jetzt eine andere Bedeutung als noch vor eineinhalb Jahren. Der vorgelegte Plan, der schon allzu fröhlich als großer Wurf in der Mitteldeutschen Zeitung angepriesen wurde, braucht zur Wirksamkeit einen direkteren Bezug zur Realität.

Die Entwicklung von Kulturangeboten in Dessau-Roßlau kennt ein einschneidendes, ja einschnürendes Kriterium: Wie viel Geld muss von vornherein für das Anhaltische Theater und die Ausgaben für die Welterbestätten eingeplant werden und ist fest gebunden? Obwohl diese Aufwendungen eigentlich eine Landesaufgabe aus dem Erbe des Freistaates Anhalt sind, hat sich die Stadt seit den 1990er Jahren in die Pflicht drängen lassen, diese Ausgaben zu tragen. Leider ist es seither keinem Stadtrat und keinem Oberbürgermeister gelungen, das Land zu einer angemessenen Mitfinanzierung entsprechend seiner Mitverantwortung zu bewegen. 80 Prozent aller Kulturausgaben des städtischen Haushalts sind so fest gebunden. Mit jeder Kostensteigerung wird das finanzielle Korsett enger, drohen weitere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit für alle Kulturangebote.

Noch größerer aktueller Handlungsdruck entsteht aus der Entscheidung für den Verkauf des Grundstücks am Schloßplatz für den Bau eines Hotels. Hierfür muss die alte Berufsschule abgerissen werden, in der bisher die Bilder unserer Gemäldesammlung untergebracht waren. Wir reden hier nicht von einer Kleinigkeit. Die Stadt besitzt Bilder in einem Wert von rund 120 Millionen Euro, die nicht in irgendeiner Lagerhalle untergestellt werden können. Jetzt wurden diese Schätze nach Meiningen ausgelagert und dies kostet uns jedes Jahr ca. 70.000 Euro Miete.

Das kann nur eine Zwischenlösung sein. Wir brauchen dringend ein zentrales Depot und Archiv, in dem unsere Kulturgüter dauerhaft qualitativ hochwertig, sicher und finanzierbar untergebracht werden können. Dafür bedarf es einer zeitnahen Standortentscheidung und einer leistbaren Finanzierung der Baukosten – Minimum 4-5 Millionen Euro – und späteren Betriebskosten. Eine Verbindung des Depots mit Ausstellungsflächen – wie am Johannbau in der Diskussion – steigert die Attraktivität, aber auch die Bau- und Betriebskosten. Ein Kulturentwicklungsplan ohne Untersetzung mit Zeitplan für die aktuell dringenden Fragen und Deckung des notwendigen finanziellen Aufwandes ist nur ein Wunschzettel.

Ich werbe dafür, dass wir am besten gleich alle Sammlungen der Stadt, also die Sammlungen der Anhaltischen Gemäldegalerie, der Anhaltischen wissenschaftlichen Bibliothek, die Naturkundesammlungen und die Sammlungen zur Anhaltischen und Dessauer Geschichte an einem Ort und in einem Gebäude zusammenführen und dort wechselnd ausstellen. Ein Kraftakt hin zu neuer Qualität bei Finanzierbarkeit im Betrieb.

Die Errichtung einer „Pinakothek“ mit allen Depots und Ausstellungsflächen würde weitere Entwicklungen zulassen. So könnte nach der Errichtung einer zentralen Depot- und Ausstellungsfläche z.B. das frei gelenkte Museum an der Museumskreuzung das Soziokulturelle Zentrum „Krötenhof“ aufnehmen, die Musikschule könnte aus der Medicusstraße in das Palais Dietrich ziehen sowie das Schloss Georgium an die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz übertragen werden. Mit einem „Rathauskonzept“ am Schloßplatz (inkl. Johannbau) könnte darüber hinaus das Gropiusgebäude (Arbeitsamt) am August-Bebel-Platz frei gelenkt werden und zur Bauhausstiftung wechseln Diese Entwicklungen und anzustrebenden Synergien sollen die Aufrechterhaltung der breiten kulturellen Angebote der Stadt überhaupt erst ermöglichen und Spielräume schaffen, die über die Verwaltung des Mangels hinausgehen und das Kaputt-Sparen der vergangenen Jahre beenden.

Hendrik Weber
Neues Forum – Bürgerliste

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